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Die verwundete Heilerin und warum Selbstfürsorge alleine nicht ausreicht



„Man kann Wunden nur heilen, wenn man selbst welche hat."     - C. G. Jung -

Der Schweizer Psychotherapeut und Psychoanalytiker C. G.Jung (1875-1961) hat mich schon immer inspiriert, nicht nur persönlich auch in meiner Arbeit und meinem Wirken mit Klienten/Innen. Vor allem die Schattenarbeit (Anteil der Persona), der Individuationsprozess (die Auseinandersetzung mit dem Bewussten und dem Unbewussten) und seine Archetypen faszinieren mich immer wieder neu.

Im Hinblick auf meine therapeutische Tätigkeit mit Frauen ist der Archetyp des verwundeten Heilers/der verwundeten Heilerin für mich eine wichtige und fast tägliche Auseinandersetzung. Mich in der Tiefe um mein eigenes Wohlergehen zu kümmern, ist für mich eine DER Wunden die für diese intensive Arbeit geheilt werden will und muss.

Im Allgemeinen sind Frauen in therapeutischen und beratenden Berufen mehr denn je gefragt, sich nicht NUR mit dem Thema Selbstfürsorge auseinanderzusetzen.

Wenn wir eine professionelle, erfolgreiche und gesunde Beziehungen zu unseren Klienten/Innen, Patienten/Innen und Kunden/Innen kultivieren wollen, erfordert dies zuerst eine gesunde und heile Beziehung zu uns selbst.


Damit wir uns mit dieser Ansicht identifizieren können müssen wir verstehen, dass wir beide Anteile in uns haben: den Anteil der Heilerin UND den Anteil unseres verwundeten Patienten/In, Klienten/In oder Kunden/In.

Diese beiden Anteile und die Reflexion dessen macht es uns erst möglich anderen Menschen erfolgreich zu helfen und zu unterstützen.


An dieser Stelle können wir auch von dem Patienten/Innen - Heiler/Innen - Archetypen sprechen. Aber woher kommt dieser Archetyp eigentlich?


Dazu taucht in der griechische Mythologie immer wieder der Name des Zentauren Chiron auf. Ein Mischwesen aus göttlichen, animalischen und menschlichen Anteilen. Auf Bildern wird der mit dem hinteren Körper eines Pferdes und mit den Armen, Oberkörper und dem Kopf eines Menschen dargestellt.

Zeus wurde vom Titan Cronus, der Sohn des Uranus, gesucht. Auf diesem Weg traf der Titan Filiria, einer Meernymphe. Er verliebt sich in sie und war von dort an an ihrer Seite.


Doch Filiria war nicht sehr angetan von Cronus und seinem Plan ihr zu folgen. Daraufhin bat sie Zeus ihr zu helfen. Zeus verwandelte sich darauf in eine Stute, um Cronus zu verjagen. Doch der Titan kam Zeus zuvor und verwandelte sich in einen Hengst, um Filiria weiter zu umgarnen.


Nach diesem Ereignis floh Filiria an einem abgeschiedenen Ort. An diesem brachte sie ihren Sohn zur Welt. Es war Chiron, halb Mensch und halb Pferd. Filiria war beim Anblick ihres Sohnes entsetzt und bad Zeus abermals um Hilfe. Zeus sollte sie in einen Baum verwandeln, damit sie sich um Chiron nicht kümmern musste. Sie wollte ihn auf keinen Fall stillen. Und so verwendete sie Zeus in eine Linde.


Der Gott Apollon und seine Göttin Athena fanden Chiron nahe des Baumes alleine und verlassen. Sie bekamen Mitleid, nahmen ihn mit und adoptierten ihn. Chiron wurde durch sie ein lieber und weiser Sohn, der sich im heranwachsenden Alter für Kunst und Medizin interessierte. Er ging in dem Heilen von Menschen komplett auf. Er war auf diesem Gebiet sehr talentiert und erfolgreich. Dadurch erlangte der Ruhm und Berühmtheit. Viele Menschen kamen zu ihm und wollten seine Hilfe.


Ein Mythos von Chiron erzählt auch die Geschichte seines Freundes Herkules (oder auch Herakles genannt). Herkules war einer seiner engsten Freunde. Dieser verletzte Chiron unbeabsichtig bei einem Kampf mit anderen Zentauren. Herkules schoss Chiron einen Pfeil ins Knie und verletzte ihn sehr.


Chiron war unsterblich, dennoch machte ihn diese Schmerzen sehr zu schaffen. Das Spüren von Schmerzen war für ihn ein großer Leidensdruck und er litt sehr stark unter diesen Qualen. Die Wunden verheilten so gut wie nie und er wollte seine Unsterblichkeit auf Grund dieses Leidens loswerden.


Chiron bat die Götter, ihm seine Unsterblichkeit zu nehmen, damit der Kreislauf die ständigen Schmerzen und Qualen ein Ende finden. Die Götter halfen ihm und Chiron übergab seine Unsterblichkeit an den Titanen Prometheus.


Die Götter vermachten Chiron eine Sternkonstellation am Himmel. Damit blieb er auf diesem Weg als Leuchten für andere unsterblich. Dieses Sternbild können wir heute als Centaurus immer noch sehen.


Was hat diese Geschichte mit dem Archetypen des verwundeten Heilers nach C. G. Jung zu tun?

In der Mythologie von Chiron wird deutlich, dass er sich selbst nicht heilen konnte und den Wunsch hatte, die unendlichen Qualen und das damit verbundene Leid gegen seine Unsterblichkeit einzutauschen.

In der Arbeit mit Patienten/Innen, Klienten/Innen und Kunden/Innen ist es wichtig einmal bewusst die eigene Verwundung zu erkennen, aber auch die unbewussten Schattenanteile (Alter, Krankheit, Sterben und Tod) die durch das Gegenüber ausgelöst werden sichtbarer zu machen. Denn diese werden durch das Gegenüber in der Heilarbeit gespiegelt und können unter Umständen falsch interpretiert werden. Diese könnten im schlimmsten Fall den erfolgreichen Prozess stören und/oder ihn unmöglich machen.

Es geht in unserer Arbeit als Therapeutinnen, Beraterinnen und Coaches um das Ganz-Werden und Ganz-sein. Nicht nur zum Wohle der Menschen mit denen wir arbeiten, auch zu unserem eigenen Wohl.

Vor Jahren habe ich mich in der Arbeit mit meinen Klientinnen verabschiedet mich immer nur unverletzlich zu zeigen. Ich versuche gegenüber den Menschen mit denen ich heute arbeite authentisch und ehrlich aufzutreten und nicht irgendeine Maske aufzusetzen, die mir ein Gefühl von Professionalität gibt (ähnlich sah es auch C. G. Jung).

"Nur wo der Arzt selbst getroffen ist, wirkt er. Nur der Verwundete heilt. Wo aber der Arzt einen PersonaPanzer hat, wirkt er nicht." - Aniela Jaffé                                    

Meine eigene Geschichte und die daraus resultierenden Lernaufgaben sind für die Beziehung zu meinen Klientinnen sehr wichtig.


Es geht darum eigene Grenzen aufzuzeigen und die des eigenen Könnens. Und dieses Aufzeigen kann eine unglaubliche Inspiration für das Gegenüber darstellen. Im beruflichen Kontext spiegelt sich damit (Selbst) Mitgefühl und (Selbst) Liebe in seiner Gänze wieder. Diese Draufsicht und die gleichzeitige aktive Umsetzung in der Heiler/In-Klienten/In-Beziehung stellt für mich viel viel mehr dar als NUR Selbstfürsorge zu betreiben.

Es ist eine tiefe und ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Verletzlichkeit.

Die eigene Selbstfürsorge wirkt daneben fast schon oberflächlich. Sicherlich schützt sie uns vor dem Ausbrennen. Sie ist auch wichtig den Raum für das Gegenüber zu halten. Durch Selbstfürsorge lernen wir unsere Bedürfnisse, Werte und unseren Körper besser kennen. Außerdem lernen wir uns besser entspannen zu können. Ein Ja zu uns selbst zu finden ist ein weiterer Punkt.


Mit der Praxis der Selbstfürsorge bereiten wir den Nährboden vor, in die Tiefen unserer Psyche ab- und einzutauchen. Und deswegen reicht Selbstfürsorge nicht aus, um unsere verwundete Heilerin zu heilen und zu nähren.

Ich glaube, wenn wir zu sehr mit dem Heiler-Archetypen verbunden sind, uns mit ihm zu sehr identifizieren und wir unser Ego damit aufwerten versuchen wir eher unser fehlendes Selbstbewusst und die eigene Unsicherheit zu verstecken.

Gerade Frauen, die sich in ihrem Wirken oft unsicher fühlen und sich in ihren Imposter Syndrom zu Hause fühlen, legen genau dieses Verhalten an den Tag. Mehr noch, ihre Konditionierungen sich um alle und jeden kümmern zu müssen schlägt dann in der Arbeit mit dem Klientel noch mehr zu buche.


An erster Stelle steht dann die Verpflichtung sich um das Gegenüber zu kümmern, koste es was es wolle, um dann eine erfolgreiche Veränderung krampfhaft anzustreben. Sollte dies nicht gelingen, wird die innere Kritikern schon bald parat stehen, um dem Selbstwert die Leviten zu lesen. Im Grunde bedeutet dies, dass das eigene Können und Wissen hinterfragt und am Ende zunichte gemacht wird. Eine Spirale, die fast nie zu einem guten Heiler-Klienten/Innen Prozess führen kann.

C. G.Jung hatte damals schon klar gestellt, dass die eigene Verletzlichkeit eine große Rolle im Prozess mit dem Klienten/In spielt und dass aus einer erfolgreichen Therapie beide Parteien verändert hervorgehen.

Wichtig ist dabei den Klienten/In wahrhaftig zu erkennen, um ihn/ihr mit Demut begegnen zu können. Aber dies geht nur, wenn wir selbst erkennen wer wir denn im Grunde unseres Seins wirklich sind.


Die Anteilnahme, Mitgefühl und Empathie erwachsen dann aus dieser Beziehung heraus. Die Verwundung ist dann eben kein persönliches, sondern eher ein universelles und geteiltes Leid (nach Dr. Liane Hoffmann & Dr. Christian Roesler).

Deswegen ist der Prozess der Selbsterfahrungen für jeden Menschen wichtig und umumgänglich, der andere in ihrem Prozess unterstützt, hilft oder heilt. Viel zu oft wird unterschätzt wie wichtig die eigene Verantwortung für sich selbst UND die des Gegenübers ist.

Doch wie kannst du dich auf den Weg machen deine Verwundungen zu heilen um eine gesunde Beziehung zu deinem Klientel zuführen?

Gehe erst den Weg deiner Selbstfürsorge. Werde physisch und seelisch gesund. Schaffe dir Rituale und Routinen, die dich auftanken und dein Selbstbewusstsein stärken. Arbeite verstärkter mit deinem Köper und lerne dich und deine Emotionen/Gefühle, deine Muster und Glaubenssätze besser kennen. Meditiere damit du dich wieder erinnerst und dein Bewusstsein stärkst.

Mit Meditation und der Praxis der Achtsamkeit kultivierst du (Selbst) Liebe und (Selbst) Mitgefühl.


Setze dich mit deinen Schatten auseinander und reflektiere die Sitzungen mit deinen Klienten/Innen, Patienten/Innen und Kunden/Innen. Erkenne dabei nicht nur deine eigenen Verletzungen. Hinterfrage, warum es dir so schwerfällt deine Verletzungen und damit dein Authentisch-Sein zu zeigen? Was steckt hinter deiner vermeintlichen Art nur professionell zu sein, wenn du deine Verwundung abspaltest?

Wenn du diesen Weg nicht alleine gehen kannst, dann suche dir jemanden der dich darin unterstützen klar zu sehen. Wenn du die Arbeit mit Menschen liebst ist dies deine Verpflichtung und Verantwortung.

Seit fast 20 Jahren besteht meine Arbeit daraus, Menschen zu unterstützen, zu helfen und den Raum für sie zu halten. Ich wollte nie etwas anderes machen. Auch ich bin eine verwundete Heilerin, die immer wieder für sich sorgen und sich mit all ihren Projektionen und Schatten auseinandersetzen muss.


Es ist der richtige und vielleicht auch der einzige Weg. Denn ohne diese Auseinandersetzung können wir anderen Menschen zwar helfen. Aber wie erfolgreicher und mit welcher Tiefe können wir dies am Ende tun?

Dieser Weg kann für die zukünftige, professionelle Heiler/In - Klient/In Beziehung eine große Rolle spielen. Denn dieser verändert nicht nur den Blick auf Therapie, Beratung und Coaching.


Der neue Weg bezieht sich auch auf die Verwundung des Therapeuten/In, Berater/In und Coach und schließt diese mit ein.

Damit kann ein neuer Heilweg für eine Neue weiblichere Erde entstehen.
 


 







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Tanja lebt seit 2016 mit ihrem indonesischen Ehemann, 2 Hunden und 2 Katzen auf Bali. Nach dem Aufbau einer erfolgreichen Psychologischen Praxis & Yogastudio entschied sich Tanja nach über 12 Jahren erfolgreicher Selbständigkeit, das Geschäft zu verkaufen und in die weite Welt zu ziehen.

Tanja hat ihr "Frau Sein" in Form der Weiblichen Souveränität auf Bali neu entdeckt und bietet Somatische Psychotherapie, Embodiment in Form ihres eigenen Yogastils und Somatische Meditationen aus dem weiblichen Buddhismus für Frauen an.

Tanja liebt es, ihre Learnings mit der Welt zu teilen und Frauen zu unterstützen mehr weibliche Souveränität für eine Neue Erde zu leben.


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