Mein Sohn oder meine Tochter wäre im Oktober 23 Jahre alt geworden.
Ich bin Anfang 2000 von meinem damaligen Ehemann schwanger geworden. Nach dem Absetzen der Pille hatte es sofort geklappt. Die Fehlgeburt kam unerwartet und spät, in der 16. Woche. Danach ging nichts mehr. Ein tiefes Loch und unendliche Leere begleiteten mich über Monate hinweg, ja sogar Jahre lang. Damals war eine Fehlgeburt ein noch größeres Tabuthema, und leider ist es das heute immer noch.
Ich war über Wochen nicht in der Lage, zur Arbeit zu gehen. Wir verbrachten mehrere Wochen in den USA. Danach war ich immer noch krankgeschrieben. Nach fast drei Monaten kehrte ich in mein Leben als Angestellte zurück. Es war ein Eiertanz. Der unsichere Umgang meiner Kollegen und meines damaligen Vorgesetzten mir gegenüber war unerträglich. Das Gespräch über meine Fehlgeburt wurde vermieden, totgeschwiegen und an mancher Stelle überdramatisiert. Noch im selben Jahr kündigte ich meinen Job und schlug ein ganz neues Kapitel auf, das mein Leben radikal verändern würde.
Alle Versuche scheiterten
Zwischen meinem Psychologiestudium und meiner Yogaausbildung versuchten wir immer wieder, schwanger zu werden. Es klappte einfach nicht mehr. Die Untersuchungen fielen positiv aus. Es gab keinen medizinischen Grund, warum es nicht klappte. Wir lehnten beide die damals gängigste Methode der In-vitro-Fertilisation ab.
Mein damaliger Mann und ich gaben am Ende auf. Wir trennten uns im verflixten siebten Jahr unserer Ehe. Der Verlust unseres Kindes, die gemeinsame und unverarbeitete Trauer und der Sex nach Uhr machten es unmöglich, die Beziehung zu retten und weiterzuführen.
Ein paar Jahre später schloss ich mein Studium als Diplom-Psychologin und Yogalehrerin ab, wurde systemische Familientherapeutin und eröffnete 2009 meine eigene psychologische Praxis in Kombination mit Yoga.
Das Leben hatte etwas anderes, besseres mit mir vor
Nach der Trennung von meinem Ehemann begann ich einen spirituellen Weg der Trauerverarbeitung und landete schließlich zwölf Jahre später auf Bali. Seit vier Jahren bin ich glücklich verheiratet und lebe immer noch auf Bali mit meinem indonesischen Mann, unseren zwei Katzen und zwei Hunden. Ich bin kinderlos geblieben.
Im Laufe der vielen Jahre meiner Selbstfindung, einschließlich vieler Jahre ohne Partnerschaft, und meiner beruflichen Ausrichtung habe ich einiges zu hören bekommen. Menschen konfrontierten mich mit Sätzen wie "Du Arme, immer noch keine Kinder" oder der Frage: "Wann ist es denn endlich mal soweit?" bis hin zur Feststellung: "Also deine Uhr läuft aber wirklich langsam ab“.
Ich hatte mich innerlich schon längst entschieden
Haben mich diese Sätze und Fragen wirklich berührt? Ehrlich gesagt - NEIN!
Ich bin nach meiner Fehlgeburt meinen eigenen Weg gegangen und habe mir ein Leben ermöglicht, das mich heute glücklich macht - auch ohne Kinder.
Wenn ich zurückblicke, wird mir klar, dass ich nie einen wirklich tiefen Kinderwunsch hatte. Ich bin ein ideenreicher und neugieriger Mensch, und ich hatte immer einen Plan in der Tasche. Und dieser Plan war nie von der Kategorie B, sondern immer von der Kategorie A.
2023 sind wir gesellschaftlich immer noch in einem Dilemma und Tabuthema unterwegs
Als Diplom-Psychologin und kinderlose Frau erlebe ich bei einigen meiner Klientinnen, die kurz vor dem Ablaufen ihrer biologischen Uhr stehen, den Druck von Freunden, Familie, dem sozialen Umfeld und der Gesellschaft. Für manche von ihnen gibt es keinen berühmten Plan B. Viele Frauen fragen sich gar nicht erst, ob sie wirklich Kinder wollen, da sie den oben beschriebenen Druck und den Wunsch nach ihrem eigenen Bedürfnis, vielleicht auch ohne Kinder zu leben, nicht voneinander unterscheiden können.
Ich wünsche mir mehr Anerkennung für die Entscheidung, ein kinderloses Leben zu führen. Denn die Entscheidung, keine Kinder zu haben, ist genauso gültig und sinnvoll wie die Entscheidung, Kinder zu haben.
Die Entscheidung für ein Leben ohne Kinder ist in Deutschland tatsächlich keine Seltenheit. Laut Statistischem Bundesamt betrug die Kinderlosenquote bei Frauen im Alter von 45 bis 49 Jahren im Jahr 2020 22,2 Prozent. Das bedeutet, dass fast jede vierte Frau in diesem Alter kinderlos ist. Bei den Männern im gleichen Alter liegt die Quote bei 16,5 Prozent.
Es gibt viele Gründe, warum Menschen sich bewusst gegen Kinder entscheiden. Einige möchten ihre Karriere verfolgen, andere wollen die Freiheit genießen, zu reisen oder ihre Freizeitaktivitäten auskosten. Es gibt auch Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen gegen Kinder entscheiden oder einfach keine Kinder möchten.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Entscheidung für ein Leben ohne Kinder oft nicht einfach ist.
Es kann eine schwierige Entscheidung sein, insbesondere wenn Familie und Freunde erwarten, dass man Kinder hat. Es kann auch ein langer Prozess der Selbstreflexion und Selbstakzeptanz sein, um eine Entscheidung zu treffen, die gegen den gesellschaftlichen Mainstream geht.
Dennoch ist die Entscheidung, kinderlos zu bleiben, genauso gültig wie die Entscheidung, Kinder zu haben. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft die Entscheidungen anderer akzeptieren und respektieren, insbesondere wenn es um persönliche Lebensentscheidungen geht.
In der Tat gibt es viele Vorteile, kinderlos zu sein. Menschen ohne Kinder haben oft mehr Zeit und Freiheit, um ihre Interessen zu verfolgen und ihre Karriere voranzutreiben. Sie können auch eine größere finanzielle Stabilität haben, da sie keine Kosten für die Betreuung und Erziehung von Kindern tragen müssen.
Es gibt auch Studien, die zeigen, dass kinderlose Menschen oft glücklicher sind als Menschen mit Kindern. Eine Studie aus dem Jahr 2016, die in der Fachzeitschrift "Journal of Happiness Studies" veröffentlicht wurde, ergab, dass kinderlose Menschen in Deutschland eine höhere Lebenszufriedenheit haben als Eltern. Dies ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Tatsache, dass Eltern auch glücklich sein können, aber es ist wichtig, diese Studien zu erwähnen, um zu zeigen, dass kinderlos zu sein kein Nachteil sein muss.
Trotzdem gibt es immer noch viele Vorurteile gegenüber kinderlosen Menschen. Sie werden oft als egoistisch oder als unvollständig angesehen, da sie keine Kinder haben. Diese Vorurteile können zu Diskriminierung und Stigmatisierung führen, was die Entscheidung für ein kinderloses Leben noch schwieriger machen kann.
Es ist wichtig zu betonen, dass kinderlose Menschen nicht egoistisch sind, nur weil sie keine Kinder haben. Im Gegenteil, viele kinderlose Menschen engagieren sich für ihre Gemeinschaften und helfen anderen auf vielfältige Weise. Sie haben auch oft enge Beziehungen zu ihren Freunden und Familienmitgliedern und können eine bedeutungsvolle und erfüllte Lebensweise führen.
Ein weiteres Vorurteil gegenüber kinderlosen Menschen ist, dass sie keine Verantwortung übernehmen oder keine "echten Erwachsenen" sind, da sie keine Kinder großziehen. Dies ist jedoch nicht wahr. Kinderlos zu sein bedeutet nicht, dass man keine Verantwortung hat oder keine wichtigen Entscheidungen treffen muss. Es bedeutet einfach, dass man sich entschieden hat, keine Kinder zu haben.
Kinderlose Frauen stehen im Feuer und sind wichtige Überbringer
Es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft unsere Vorurteile gegenüber kinderlosen Menschen überdenken und uns mehr auf die Vielfalt der Lebensweisen konzentrieren. Wir sollten die Entscheidungen anderer akzeptieren und respektieren, insbesondere wenn es um persönliche Entscheidungen geht, die keinen Einfluss auf andere haben.
Ich persönlich habe mich auf den Weg gemacht, mein kinderloses Leben anzunehmen, es so zu akzeptieren, wie es eben ist, und das Beste daraus zu machen. Wenn sich ein Kind angekündigt hätte, wäre meine Entscheidung immer positiv für das Kind ausgefallen, unabhängig von einer festen Paarbeziehung.
Auf meinem spirituellen Weg habe ich gelernt, dass alles, was zu mir kommt, im Hier und Jetzt Sinn macht. Ich habe heute die Freiheit und Flexibilität, meine Ideen, Interessen und Projekte sowohl beruflich als auch privat zu verfolgen. An erster Stelle ist mir die bewusste und gesunde Paarbeziehung mit meinem Mann wichtig. Vor allem ist es mir wichtig, dass wir als Paar sowohl Bindung als auch Autonomie leben können. Weiterhin ist mir die tiefe Beziehung zu meinen Freunden und meiner Mutter ebenso wichtig.
Meine Entscheidung für ein Leben ohne Kinder ist nicht für jeden die richtige Entscheidung. Es ist eine persönliche Entscheidung, die von vielen Faktoren abhängt, darunter individuelle Werte, Überzeugungen und Umstände. Wir sollten uns als Gesellschaft bemühen, alle Lebensweisen zu akzeptieren und zu respektieren, unabhängig von unserer persönlichen Meinung oder Vorliebe.
Dennoch möchte ich bewusst machen, dass es für uns Frauen weiterhin wichtig ist, unser Frau-Sein in allen Facetten zu leben, mit oder ohne Kinder. Das bedeutet, dass wir wieder zu unserer Intuition zurückfinden und eine Verbindung zu unserem Körper aufbauen müssen.
Das Leben in Zyklen, das Zelebrieren von Übergangsriten (erste Menstruation, Mutterschaft und Menopause) und die Verbindung zu meiner Gebärmutter und zur Natur per se sind nur einige Beispiele.
Es gab nie einen Plan B für mich
Ich bin genau diesen Weg auf Bali gegangen. Es war meine ganz persönliche Heldinnenreise, in der ich erkannt habe, dass meine "Geburten" keine wirklichen Kinder sind, sondern Projekte, Ideen und die Umsetzung von Aufgaben für viele Menschen anstatt nur für einen. Deshalb gab es für mich, wie an früheren Stellen dieses Artikels beschrieben, keinen Plan B, sondern immer einen Plan A.
Es ist als Frau, ob mit oder ohne Kind, einfach ungemein wichtig und unerlässlich, sich diese Fragen zu stellen: Was möchte ich in meinem Leben alles "gebären"? Was wartet darauf, in die Welt gebracht zu werden? Wie kann ich ohne Kinder in meinem Wirken der Welt dienlich sein?
Insgesamt verdient die Entscheidung für ein Leben ohne Kinder mehr Anerkennung und Respekt in unserer Gesellschaft. Es ist an der Zeit, dass wir unsere Vorurteile überdenken und uns auf die Vielfalt der Lebensweisen konzentrieren, die es uns ermöglichen, ein erfülltes und glückliches Leben zu führen, unabhängig davon, ob wir Kinder haben oder nicht.
Schreibe mir gerne deine Erfahrungen. Ich freue mich darauf!
In Liebe
Tanja 🌹
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Tanja lebt seit 2016 mit ihrem indonesischen Ehemann, 2 Hunden und 2 Katzen auf Bali. Nach dem Aufbau einer erfolgreichen Psychologischen Praxis & Yogastudio entschied sich Tanja nach über 12 Jahren erfolgreicher Selbständigkeit, das Geschäft zu verkaufen und in die weite Welt zu ziehen.
Tanja hat ihr "Frau Sein" in Form der Weiblichen Souveränität auf Bali neu entdeckt und bietet Somatische Psychotherapie, Embodiment in Form ihres eigenen Yogastils und Somatische Meditationen aus dem weiblichen Buddhismus für Frauen an.
Tanja liebt es, ihre Learnings mit der Welt zu teilen und Frauen zu unterstützen mehr weibliche Souveränität für eine Neue Erde zu leben.
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